Zusammenspiel und Einfluss zwischen Form und Inhalt im Editorial Design Inhalte der „BILD“ und der „ZEIT“ in neuem Gewand

Konzept und Entwurf / Editorial Design
6. Semester / Wintersemester 2018/19
Studierender: Johannes Schilk
Betreuer: Prof. Mark Schmid

Der Editorial-Bereich wird maßgeblich von zwei großen Faktoren bestimmt: Dem Inhalt und natürlich der Tätigkeit, diesen gestalterisch aufzubereiten. Im Verlauf der Zeit entwickelte sich eine enorme Vielzahl an Printmedien und für jede Gattung haben sich gestalterische Normen und Kennzeichen entwickelt. Jugendmagazine sind bunt, groß und knallig, seriöse Fachblätter eher schlicht und zurückhaltend. Ungeschriebene Gesetze haben meist ihren Grund und es haben sich zweifelsohne schon unzählige Gestalter unabhängig voneinander mit jeglichem Medium auseinander gesetzt und sind meist zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Diese erlangten Prinzipien machen uns das Leben als Designer sicherlich einfacher, um nicht immer komplett bei Null anfangen zu müssen, doch bei Gelegenheit darf auch mit den ältesten Konsumgewohnheiten experimentiert werden. Das perfekte Formular kann nur für den Moment existieren, denn die Bedürfnisse und Anforderungen ändern sich. Auch lebt Design stets vom Neuen, Überraschenden und dies kann nicht stehen bleiben. Um nicht in Langweile zu versinken müssen wir somit immer wieder unsere Normen in Frage stellen und neu analysieren, wie unsere Gestaltung wirkt. Wie beeinflussen wir die Wahrnehmung des Inhalts, den wir designen?
Durch spielerische Studien mit Form und Inhalt sollen in diesem Projekt interessante, neue Ergebnisse geschaffen werden um diese zu analysieren.
Das bekannteste Printmedium Deutschlands, bei dem die Form und der Inhalt komplett homogen und fest verknüpft scheinen, ist zweifelsohne die BILD-Zeitung. Das knallige, flächige Blocklayout, das den gegebenen Platz komplett ausnutzt, die große, fette Typografie, provokante Bilder und natürlich die plakativen Schlagzeilen. Was man auch von ihr halten mag, die BILD ist ein abgestimmtes Produkt. Aber was passiert nun, wenn bei diesem, sofort erkennbaren, Formular ein paar Faktoren geändert werden? Kann die Zeitung damit andere Leser ansprechen?
Die erste Studie dieses Projekts widmet sich der Veränderung der Form, während der Inhalt komplett unangetastet bleibt. Da die bisherige Form ein gewisses Extrem beschreibt wäre es nun natürlich naheliegend das gegenüberliegende Extrem zu suchen: ein leises, zurückhaltendes Layout, viel Weißraum, kleine Schriften, kleine, interessant angeordnete Bilder. Doch die Ergebnisse wären wohl allzu vorhersehbar. Als viel interessantere Aufgabe unterbreitet sich der Versuch, nicht an den offensichtlichen Reglern zu drehen (Schrift zurückhaltender, Bilder kleiner, mehr Raum, weniger Farben), sondern zu versuchen durch andere, kleinere Anpassungen das Erscheinungsbild zu ändern.
Die BILD-Zeitung im alternativen Gewand soll versuchen, etwas moderner und gleichzeitig seriöser zu wirken, um eine neue Leserschicht anzusprechen. Das Format wird dabei zu einem klassischen DIN A4 mit Fadenrückstichbindung, 300-Gramm-starkem Umschlag und Recyclingpapier, um einen hochwertigeren Magazincharakter zu erhalten. Artikel und Bilder sind alle dem Original entnommen und füllen jeweils eine einfache oder doppelte Seite. Um die Originalbilder weiterhin großflächig verwenden zu können, ohne billig zu wirken, wurden diese einem Rauschfilter unterzogen, eingefärbt und mit transparenten, geometrischen Formen kombiniert. Die Zeitschrift bedient sich drei Farbenpaaren, die die BILD-Rubriken Unterhaltung, Sport und News kennzeichnen. Die Headlines sind weiterhin groß, aber in der charakterstarken und charmanten Meta Pro gehalten, nicht mehr durchgängig in Majuskeln und durch breite Linien unter- und überstrichen, welche an den Ecken angeschrägt sind, um mit der kantigeren Schrift zu harmonieren. Die Fließtexte bewegen sich ein- bis dreispaltig, variabel im Zwölferraster, mit luftigerem Zeilenabstand und einem durchgängigen Flattersatz. Der neue Look tut dem Inhalt gut und könnte durchaus auch eine moderne, gestaltungsoffene, aufgeschlossene Zielgruppe ansprechen. Wenn die Überschriften mal nicht ganz so drastisch sind, könnte man mal einen Blick wagen, doch spätestens bei tieferer Auseinandersetzung mit dem Inhalt würden wohl die meisten dieser Gruppe abgeschreckt werden. Was passiert also nun, wenn wir an Stelle der Gestaltung den Inhalt angehen und verändern? Implementieren wir in das bestehende Layout hoch komplexe Fachinhalte funktioniert das ganze natürlich nicht mehr, da allein schon das Text-Bild-Verhältnis dies nicht hergibt. Nehmen wir aber Inhalte, die sich mit den gleichen Themen wie die BILD beschäftigen, aber anders aufbereitet sind, beispielsweise von der »Zeit«, funktioniert das ganze schon deutlich besser. Das System scheint gut zu funktionieren, aber ohne die provokativen Statements und mit den zurückhaltenderen Bildern der »Zeit«-Redaktion verliert das Produkt jeglichen Reiz. Es ist zu langweilig, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zu förmlich unpassend, um seriös zu wirken.
Das Zusammenspiel von Form und Inhalt ist also der zentralste Punkt, um eine gewisse Zielgruppe zu erreichen. Das eine kann nicht ohne das andere. Eins der Elemente muss immer das Interesse wecken, darf aber keine falschen Versprechungen machen, um den Interessenten danach auch zu behalten. Die Zielgruppe hält immer nach gewissen, gestalterischen Normen Ausschau und ohne diese teilweise zu erfüllen, kann man sie nicht erreichen. Kleinere, aufstrebende Medien können sich dieses Risiko meist nicht leisten, ohne Leser zu verlieren, und die Wirkung auf die festgefahrenen Standards ist sowieso gering. Daher liegt gerade bei den Gestaltern von großen Medien, mit bereits existentem, treuem Kundenstamm, die Verantwortung ihre Form innovativ zu verändern, um Printmedien für die breite Masse interessant zu halten.